TURNIER-CODEX
Der gesegnete Ritter und seine Tugenden

 

Hier turnierten Sie, um ihren Mut zu zeigen, dort,
um Gut zu erwerben, und so mancher um nichts anderes
als um seiner Herrin willen, wieder andere zur Übung,
und jene dort allein um die Ehre.

Aus Ulrich von Lichtensteins Frauendienst 1255

Die Aufnahme eines Ritterbürtigen, in den Ritterorden (ordo equestris, ordo militaris) wurde durch die Schwertleite oder, seit dem 14. Jahrhundert, durch den Ritterschlag vollzogen. Er gelobte Treue gegenüber seinem Herrn und erhielt den Segen: „…daß er ein Schutz für die Kirchen, Witwen und Waisen und allen Dienern Gottes sei vor der Raserei der Heiden“.

… und so hatte der Klerus seinen Zwiespalt mit den unwürdigen Kampfspielen (wider den sieben Todsünden), denn im Turnier könne die Grenze zum ernsten Kampf leicht überschritten und könnten Menschenopfer gefordert werden. Gegen kriegerische Auseinandersetzungen im Interesse der Kirche hatte sie jedoch nichts einzuwenden. Und so wurden die Ritter zu Rittern des Kreuzes und des einzig wahren Glaubens jahrhundertelang in Kriege geschickt, die Welt zu erlösen...

Die Turniere


Die Turniere dienten ursprünglich dem Zweck, die Handhabung der Waffen und Pferde für den ernsten Kampf zu üben. Schon die damaligen Veranstalter mußten von dem Landesherrn oder der freien Stadt, in deren Territorium das Turnier stattfinden sollte, die Turnierfreiheit erhalten. Der Turnierplatz wurde sorgfältig geebnet, mit Sand aufgeschüttet und, sofern er nicht durch Gebäude ausreichend eingegrenzt war, mit hölzernen, doppelten Schranken umgeben. Außerhalb der Schranken befanden sich hohe und niedrige Sitzgelegenheiten, je nach Rang der Zuschauenden, sowie Tribünen, die mit allerlei Zierrat und kostbaren Teppichen geschmückt wurden.

Die Art und Weise des Turnierhaltens, die Bedingungen für die Teilnehmer, vor allem aber die Turnierfähigkeit waren besonderen Gesetzen unterworfen, die in der Turnierordnung zusammengefaßt waren.

Die für das Übertreten der Turniergesetze festgelegten Strafen sprach das Turniergericht aus, dem Turniervögte, Herolde, Grieswärtel und Turnierknechte angehörten. Die Grieswärtel, Kreiswärtel oder Stäbler waren Streitbeobachter oder Wärter des Kampfplatzes. Ihre Aufgabe bestand darin, die Ordnung auf dem Turnierplatz «zwischen den Schranken oder Seilen», aufrechtzuerhalten, Streitigkeiten und ernste Auseinandersetzungen zu verhindern, die Kämpfenden zu trennen oder die Gefährdeten zu schützen.

Um seine Turnierfähigkeit zu belegen, mußte der Ritter vor Beginn des Turniers die wichtigsten Beweise seiner Ritterbürtigkeit, Schild, Helm und Kleinod, zur Wappen oder Helmschau aufstellen. Die Helmzeichen auch Zimiere genannt, wiederholten oder ergänzten die Wappenfiguren und ermöglichten damit eine individuelle Kennzeichnung im Kampf.

Die Pflege der Wappenkunde, der Heraldik, oblag den Herolden. Sie spielten im Turnier eine wichtige Rolle. Der Herold trug meist einen Waffenrock mit heraldischen Darstellungen auf der Brust oder auf den Schultern und einen Federhut.  In der Hand hielt er einen weißen Stab wie ein Zepter.

Die Turniervögte übertrugen den Herolden folgende Aufgaben: 1. Ankündigung der Turniere und Einladung zu denselben; 2. Beurteilung der Turnierfähigkeit bei der Wappenschau und Helmteilung; 3. Beurteilung von Waffen und Zeug vor der Eröffnung des Turniers, besonders der Schwerter, die von ihnen gezeichnet wurden; 4. Ausrufen der Kampfgesetze vor Turnierbeginn; 5. Bekanntgabe derjenigen, in deren Familien ein solches Vergehen gegen das Turnierrecht geschehen war, daß die Mitglieder dieser Familien zum Schlagen im Turnier ausgesetzt waren; 6. Beobachtung der Kampfspiele hinsichtlich ordnungsgemäßer Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen; 7. in Zweifelsfällen des Turniergerichts Entscheidung über den Sieger zu fällen; 8. Ausrufen der Sieger zum Empfang der TurnierDänke; 9. Assistenz beim Ausstellen der Turnierbriefe.

 

Bei der Helmschau waren neben den Herolden und Turniervögten auch Frauen anwesend und an der Beurteilung der Turnierfähigkeit beteiligt. Im Zusammenhang mit der Wappenschau wurden auch die Waffen, wie Schwerter und Kolben, ebenso Pferde und Zeug beurteilt. Auch dürfe im Turnier kein «anfallend, beissend und schlagend Pferd» reiten; das Turnierzeug solle so hergerichtet sein, daß es einem anderen nicht Schaden zufügen könne und nichts Stechendes oder Schneidendes daran befindlich sei. Es solle auch keiner eine andere Wehr als seinen Turnierkolben oder sein Turnierschwert benützen. Diese Waffen wurden besichtigt und geprüft. Erst danach konnte «nach Außweisung Thurniers Freyheit und Gerechtigkeit thurniert» werden.

Die Belohnung der Sieger erfolgte durch die Vergabe der Dänke. Der meist erhebliche Wert der Dänke sowie die Tatsache, daß sie von einer schönen Frau überreicht wurden, waren ein gewichtiger Anreiz für die Teilnahme am Turnier und spornten zu herausragenden Leistungen im Kampfspiel an. Die Dänke bestanden aus kostbaren Waffen, goldenen Ketten, Ringen und Kränzen. Das Kränzlein überreichten Frauen und Jungfrauen, an ihm konnte ein «Kleinod oder Hefftlein» befestigt sein.

 

Vom Turnier zum Rennen

Die erstarkenden Renaissancefürsten benutzten die Waffenspiele zur Glorifizierung ihrer eigenen Person. Die Turnierbücher des 16. Jahrhunderts in Deutschland, wie der «Freydal» Kaiser Maximilians I., Hans Burgkmairs d. j. reichbebilderte Turnierbücher, das Turnierbuch Herzog Wilhelms IV. von Bayern sowie von den sächsischen Kurfürsten die Turnierbücher Johanns des Beständigen, Herzog Johann Friedrichs des Großmütigen und Kurfürst Augusts, dienten der Verherrlichung einzelner Potentaten.

Eine Spezialität der Gesteche, die sich um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Österreich und im Osten Deutschlands, besonders am Hofe Kurfürst Augusts in Dresden, großer Beliebtheit erfreute, war das mit Maskierungen verbundene ungarische Turnier. Die Teilnehmer trugen ungarische Säbel, die nur als Zier dienten sowie ungarische Tartschen und besonders große, schwere «ungarische» Sporen. Um 1500 kam in Deutschland eine neue Turniergattung auf, die bald dem Stechen seinen Rang streitig machen sollte: das Rennen.

Die mit dem Turnierbuch Johanns des Beständigen beginnenden Aufzeichnungen ihrer «Scharffrennen und treffen» umfassen den Zeitraum von 1487 bis 1566. Das Turnierbuch Herzog Johann Friedrichs des Großmütigen belegt für die Jahre 1521 bis 1535 insgesamt 146 Turniere. Das Turnierbuch Augusts I. verzeichnet die von 1543 bis 1566 zur Fastnacht, anläßlich von Beilagern, Kindtaufen usw. veranstalteten 60 Rennen des Kurfürsten.

Für das Rennen bildete sich an den verschiedenen Höfen eine verwirrende Vielfalt an Varianten heraus. Der «Freydal» Kaiser Maximilians I. registrierte folgende prägnante Arten: 1. Das Geschiftrennen mit der Unterscheidung von Geschifttartschen und Geschiftscheibenrennen; 2. das Scharf oder Schweifrennen; 3. das Bundrennen; 4. das zog rennen; 5. das Krönl (rennen); 6. das Feldrennen. Bei allen Rennarten kam es darauf den Gegner vom Pferd zu rennen.

Bereits seit dem Ende des 15. Jahrhunderts liehen sich Adlige Turnierharnische aus der Dresdner Rüstkammer, um ein Turnier repräsentativ ausstatten zu können. Als Kurfürst August zur Hochzeit der Tochter des Kurfürsten von Brandenburg im Februar 1560 nach Berlin eingeladen war, nahm er zu dem dabei veranstalteten Turnier «alle Rüstung, welche zum Gestech über die Pallia gehörig» (welsches Gestech) mit, um die Ausrüstung etlicher Adliger aus dem Gefolge des Gastgebers zu ermöglichen.

Unter Kurfürst August, der 1553 die Regierung antrat, erfuhr das sächsische Festwesen seine gültige Prägung. Saalmummereien und Verkleidungsturniere gehörten als feste Bestandteile zu den Hoffestlichkeiten und stellten Einlage oder Abschluß der Turnierspiele dar. In der bunten, grotesken Ausrüstung der Aufzüge der einzelnen Spielgruppen zum Fest oder Kampfplatz bildete sich eine Dresdner Eigentümlichkeit heraus, die andere deutsche Höfe nachahmten. Maximilian II. lernte den Dresdner Stil der Festgestaltung 1564 bei seinem Besuch in der sächsischen Residenzstadt kennen. Zu einem aus diesem Anlaß veranstalteten Palliastechen ritten die Teilnehmer als Türken, Tataren, Moskowiter, Jäger, Vogelsteller, Narren, Riesen, Wilde Männer, Mönche, Nonnen, Jakobsbrüder, Roßknechte, Bauern und Landsknechte in die Schranken und zerbrachen aneinander die Lanzen. Die Bezeichnung der gegnerischen Parteien als Mantenatoren (Herausforderer, Turnierveranstalter) und Aventurierer (fahrende Ritter) ist in Dresden erstmals für ein zur Fastnacht 1557 von Kurfürst August angeordnetes welsches Gestech belegbar. Die Mantenatoren waren dabei mit gleicher Ausstattung für Mann und Roß versehen. Bei dem am 14. November 1560 in Dresden gehaltenen Stechen kämpften die Mantenatoren mit den Aventurierern um eine an der die Gegner trennenden Holzschranke (Pallia, Dill) aufgerichtete Attrappe einer Burg. Der Sieg hing von der Anzahl der nach den Kampfregeln gebrochenen Spieße ab. Alle Turnierteilnehmer führten auf ihren Schilden, diejedoch bei dem Rennen in der Regel nicht gebraucht und in der Nähe des Kampfplatzes aufgehängt wurden, ihre Wappen. Nur ein Spaßvogel hatte ein Paar Bierkannen auf dem Helm und eine Bratwurst auf dem Schild. Wie bei den auf Stadtkosten veranstalteten Schützenfesten wurde auch der Turnierplatz vom Rat der Stadt vorbereitet. Nach den Wünschen des Kurfürsten ließ der Dresdner Rat entweder auf dem Markt" im Schloß oder Zwinger (an der Stadtmauer) eine Bahn von Stroh, Sand oder Ziegeln herstellen, die nach Beendigung der Ritterspiele wieder beseitigt wurde.

Text Heiko Guter

Quelle: “Turniere” erschienen 1979 im Verlag f. Militärgesch. DDR

 

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Die sieben
ritterlichen Tugenden

Die sieben Todsünden

Glaube
Hoffnung
christliche Liebe
Gerechtigkeit
Klugheit
Stärke und Mäßigkeit

Unmäßigkeit im Essen und Trinken
Schwelgerei
Müßiggang
Stolz
Geiz
Neid und Zorn